Nein, dies ist kein Beitrag über eine vorgezogene Altersdemenz. Ich hatte NICHT vergessen, dass bereits zwei fahrbereite Hecktriebler bei mir herumstehen… Der nachfolgende Bericht soll zeigen, dass die Geschichte nicht ganz einfach ist. Wie fast immer, enthält er im zweiten Teil auch einen Hinweis auf eine technische Panne und das Vorgehen, die Ursache zu ermitteln.

Sieg der Unvernunft

Citroën Veteranen

Es ist kaum zu glauben: Noch bevor das Taxi zum ersten Mal an einem Treffen des CTAC auftauchen konnte, hat die Population der fahrbereiten Citroën Hecktriebler in meiner Garage auf magische Art und Weise um weitere 50% zugenommen. Wenn es nun Leute gibt, die denken, „Der spinnt“, so kann ich dies nachvollziehen...

Ich bin bekanntlich ein praktisch-analytisch denkender Mensch, der in der Regel auf dem Teppich bleibt – auch wenn dieser zuweilen schwebt. Es fällt mir leicht, Wirkung und Ursache zu verknüpfen. Als Beispiel hierfür möchte ich aufführen, dass ich die Tatsache, dass mir bei der letzten Fahrt mit dem offenen AC4 Torpédo die Mütze vom Kopf flog und auf der Mittellinie landete, damit in Verbindung führen konnte, dass ich mir mal wieder die Haare schneiden lassen sollte. Ich bin meistens ein recht vernünftiger Mensch. So habe ich – zum Beispiel – bis heute KEINE Kegresse gekauft, obwohl mich diese Art von Fahrzeugen sehr fasziniert. Berichte darüber gibt’s auf der Webseite des CTAC. Und: Nun ja, ich kann mir leicht vorstellen, dass es Leute gibt, die nach dem Lesen des Artikels „Allô Taxi! – Allô Piéton!“ „Vernunft“ etwas anders definieren würden…

Wie auch immer: Aus Neugierde schaue ich mir gelegentlich die Angebote an klassischen Citroën auf der Webseite von autoscout24 an. Schon im letzten Jahr war mir dabei ein schönes AC6 Cabriolet Jahrgang 1930 aufgefallen. Mit dem Kommentar „interessant“ klickte ich es dann weg und kümmerte mich um meinen Alltag.

Irgendwie – es könnte sein, dass meine Frau Agi dabei nicht ganz unschuldig war – stolperte ich in diesem Frühling wieder über das Inserat. Über mehrere Tage schaute ich es mir immer wieder an. – Es war wirklich ein schönes Fahrzeug, und dazu in der Schweiz fast oder ganz einmalig. Mir sind zwar mehrere C6 bekannt, aber kein Cabriolet. Gemäss „Toutes les Citroën“ wurde die Karosserie „Cabriolet Quatre Places“ auch nur von Oktober 1928 bis September 1930 gebaut. Man müsste doch sehen, dass dieses Auto in der Schweiz bleibt.

Ich kontaktierte die Verkäuferin, eine rüstige, unverheiratete Rentnerin, welche das Auto selbst während 30 Jahren gefahren hatte, und informierte mich über die Details. Das Cabriolet war wirklich in gutem Zustand. Auf Grund meiner vernünftigen Überlegung sagte ich der Verkäuferin dann aber schweren Herzens am 15. April ab – wohl wissend, dass ich den Verzicht bereuten würde. Ich informierte einige Kollegen, die möglicherweise an diesem Auto interessiert sein könnten. – Keiner reagierte innerhalb einer nützlichen Frist.

Dennoch liess mich das Angebot nicht ruhen, und schliesslich kam ich mit Agi überein, dass wir uns das Cabriolet anschauen sollten, damit ich – als Kenner der Citroën Hecktriebler – darüber Bescheid wusste. Warum sollten wir nicht in Anbetracht des frühlingshaften Wetters eine Ausfahrt an den Jura-Südfuss machen und uns das Auto anschauen?

Am Ostermontag fuhren wir nach Biberist, lernten die sympathische Besitzerin kennen und machten eine grössere Ausfahrt im alten Citroën. Wir waren begeistert, und ich fühlte mich in meiner Überzeugung, dass dieses spezielle Cabriolet in der Schweiz bleiben müsste, bestärkt. Ob wir vielleicht doch selbst… ? Es folgte eine Woche, in der ich meine Meinung viertelstündlich änderte. Ich bin normalerweise kein Mensch, der sich mit Entschlüssen schwer tut. Ich kann Fakten einander gegenüber stellen, abwägen und dann entscheiden. Ich bin bislang sehr selten schlecht gefahren damit. In diesem Fall standen jedoch harte Facts (bereits genug Autos, keinen Platz, keine Zeit, absolut unnötig) einer weichen „Tatsache“ (wäre blöd, wenn dieses Auto in’s Ausland ginge) gegenüber. Dazu kamen Argumente in’s Spiel wie „Wenn ich das Geld auf der Bank lasse, wird’s auch weniger. Wenn ich ein Auto kaufe, dann macht es wenigstens Spass“ und „Wenn ich aus dem Schlafzimmerfenster schaue, sehe ich direkt auf den Friedhof. Keiner, der dort liegt, konnte sein Geld mitnehmen!“.

Agi, meine Ehefrau war mir auch keine Hilfe. Im Gegensatz zu anderen Paaren haben wir nie Streit wegen der Finanzen. Differenzen gibt’s bei uns eher um die knappen Garageplätze.

Im Mai hatte ich nach einer Motorenrevision gerade ein Kundenfahrzeug fertig gestellt und bekam damit wieder etwas „Luft“ in der Garage. Irgendwann, als meine Meinung gerade mal wieder auf der Seite „müsste man doch kaufen“ war, griff ich zum Telefon, und damit war die Sache gelaufen.

Am 12. Mai fuhr ich mit einem Hänger nach Biberist, um das Citroën Cabriolet sowie die dazu gehörende Menge von Ersatzteilen zu holen. Ein Freund half mir, die Teile, darunter ein Motor, ein Getriebe und je eine Achse, zu holen. In weiser Voraussicht hatte ich meinen Motorkran mitgenommen…

Seither haben wir schon kleinere Ausfahrten unternommen, und es war schön, die Ausrufe „Cool“ der Passanten hören zu können.

Am 12. Juni war ich mit Ruedi Weber verabredet, um ihm bei der Neukonstruktion des Kabelbaumes seines Traction Cabriolets behilflich zu sein. Vorher wollte ich beim Schlüsseldienst in Winterthur Türschlüssel für das Cabriolet machen lassen, denn die Vorbesitzerin hatte während all der Jahre, die sie das Auto besass, keine Möglichkeit gehabt, dieses abzuschliessen. Auf Grund der Nummer am Türschloss auf der rechten Seite – links gibt’s ein kleines Hebelchen, um die Türe abzuschliessen – konnte man tatsächlich ein Set von Schlüsseln herstellen. Voller Freude über die neuen Schlüssel setzte ich mich an’s Volant des C6 und startete den Motor. Ich rollte vom Parkplatz einen halben Meter auf die Quartierstrasse – und dann starb der Motor. Es gelang mir nicht mehr, diesen zu starten, obwohl der Anlasser drehte.

Die Werkzeugsammlung, die ich an Bord hatte, war bescheiden. Immerhin hatte ich einen Kerzenschlüssel, aber es fehlte mir eine Prüflampe. Ich konnte einigermassen ausschliessen, dass das Problem an der Benzinversorgung lag, denn der Vergaser tropfte bei den Startversuchen. Aus technischen Gründen war es für mich alleine nicht möglich, den Anlasser zu betätigen und gleichzeitig zu kontrollieren, ob bei den Zündkerzen ein Funke zu sehen war, denn der Anlasser wird bei diesem Auto mit einem Fussschalter betätigt, und das Auto hat – im Gegensatz zur Traction – keine „Selbstmörder-Türen“.

Immerhin konnte ich dank eines Messgerätes, welches mir freundlicherweise die Leute vom Schlüssel-Service zur Verfügung stellten, sicherstellen, dass auf der Zündspule Strom anlag. Da die Kabel beim Zündverteiler verschraubt sind, war es mir auch nicht möglich, direkt an der Zündspule eine Kerze anzuschliessen, um so die Spule testen zu können.

Nach ¾ Stunden kapitulierte ich und rief Ruedi Weber zu Hilfe. Er kam mit seinem Large vorbei. Zwar führte er weniger Werkezeug mit, als ich mir erhofft hatte, aber ich konnte mit seiner 6-Volt-Zündspule und seinen Zündkabeln Versuche anstellen. Dabei stellte ich fest, dass an der direkt mit der Spule verbundenen Zündkerze ein Funken entstand, wenn ich die Spule direkt an die Masse anlegte, dass aber es jedoch keinen Funke gab, wenn ich die Verbindung zur Masse über den Unterbrecher schaltete. Da der Zündverteiler beim C6 über zwei Unterbrecher verfügt, welche für je drei Zylinder zuständig sind, konnte ich praktisch ausschliessen, dass die Unterbrecher für den Ausfall der Zündung ursächlich waren. Es blieb somit nur der Kondensor. Ich hängte diesen ab – und siehe da: Auch mit dem manuellen Betätigen der Unterbrecher am offenen Zündverteiler konnte ich einen Zündfunken erzeugen. Nach dem Zusammenbau der zerlegten Teile konnte ich – mit abgehängtem Kondensor – den Motor wieder starten und sogar mit Ruedis Traction als „Besenwagen“ los fahren. Allerdings lief das Auto nicht schön. Der Motor hatte viele Aussetzer und keine Kraft, so dass ich mich bei Töss auf einen Parkplatz fuhr.

Mit Ruedis Auto fuhren wir dann zu ETS Walder in Dübendorf, wo wir uns einen neuen Kondensor besorgen konnten. Nachdem dieser eingebaut war, schnurrte der 6- Zylinder wieder wie gewohnt, und wir konnten uns der Elektrik von Ruedis Cabriolet widmen.

Fazit: Ich werde die Werkzeugtasche im C6 besser ausstatten – und ein Zündkabel dazu legen, mit dem ich im Pannenfall eine Zündkerze direkt an die Zündspule anschliessen kann. Ich werde weiterhin ab und zu für Fahrten, die ich mit einem Auto machen muss, einen meiner Hecktriebler einsetzen, und damit ist die Chance, dass der Leser bei einer Fahrt durch das Zürcher Weinland einem Vorkriegs- Citroën mit einem breit grinsenden Fahrer begegnet, durchaus gegeben…